Patrik Gisel, Chef der Raiffeisen-Gruppe, hat kürzlich die Lockerung der Vergaberichtlinien für Hypotheken gefordert. Er begründet seine Forderung mit der Tatsache, dass junge Familien keine Chance auf den Erwerb eines Eigenheims haben. In ihrem NZZ-Kommentar vom 10. September 2016 widerspricht Andrea Martel dieser Forderung.
Einerseits erachte ich die Forderung von Patrik Gisel als grundsätzlich gerechtfertigt. Andererseits sind die Bedenken von Andrea Martel ebenfalls korrekt.
Junge Familien
Es ist korrekt, dass die Rahmenbedingungen für die Gewährung von Hypotheken eine hohe, zum Teil zu hohe, Hürde für junge Familien darstellen. Diese Hürde wird aus dem für die Tragbarkeitsberechnung zugrunde liegenden kalkulatorischer Zinssatz von 5.00%, dem harten Eigenkapitalanteil von mindestens 10% des Verkehrswertes und der reduzierten maximalen Amortisationsdauer von 15 Jahren gebildet (Details siehe mein Blog datiert 02.09.2016).
Kaufpreissteigerungen
Es ist auch korrekt, dass eine generelle Lockerung der oben erwähnten Rahmenbedingungen sehr schnell zu einer Steigerung der Immobilienpreise führen würde. Wenn die Rahmenbedingungen gelockert werden, dann wird die Nachfrage nach Immobilien rasch wieder anziehen und in der Folge die Preise sich erhöhen. Der Vorteil zu Gunsten der jungen Familien durch die Lockerung der Rahmenbedingungen wird schnell durch die Preissteigerungen wieder aufgehoben.
Lösung
In meinem LinkedIn- und Blog-Beitrag vom 5. September 2016 habe ich eine aus meiner Sicht machbare Lösung zu Gunsten von jungen Familien aufgezeichnet:
Basierend auf einer langfristigen Zinssatzfixierung erfolgt die Tragbarkeitsberechnung auf dem effektiven Zinssatz (z.B. 1.80%). Damit die Tragbarkeit der Finanzierung nach Ablauf der langfristigen Festhypothek (z.B. 10 oder 15 Jahre) mit einem kalkulatorischen Zinssatz von 5.00% gegeben ist, wird ein linearer Amortisationsplan unter Berücksichtigung des Hypothekenlaufzeit vertraglich vereinbart (Ziel ist eine Hypothekenhöhe, die mit einem Zinssatz von 5% für die Kreditnehmer tragbar ist).
Die Gesamtfinanzierungskosten (effektive Zinsen + Amortisationen + Liegenschaftsunterhaltskosten) dürfen 33% des Bruttoeinkommens der Kreditnehmer nicht überschreiten und die Eigenmittel müssen mindestens 20% der Finanzierung ausmachen. So ist gewährleistet, dass während der langfristigen Finanzierung und danach die Finanzierung tragbar ist.
Da meine Lösung nicht für alle jungen Familien anwendbar ist (notwendiges Einkommen und Vermögen müssen vorhanden sein), hat sie keinen oder nur einen sehr begrenzten Einfluss auf die Immobilienpreise. Unter Beachtung der sinnvollen Rahmenbedingungen für einen nachhaltig stabilen Schweizer Immobilienmarkt kann die Lösung für einige junge Familien der Weg zum erträumten Eigenheim sein.
Wie ebenfalls in meinem Artikel am 5. September 2016 erwähnt, erfordert meine Lösung aufgrund der "Selbstregulierungsmassnahmen der Schweizer Banken" immer eine Ausnahmebewilligung der jeweils finanzierenden Bank. Damit eine junge Familie diese Ausnahmebewilligung bekommt, ist ein detailliertes, vollständiges und aktuelles Kunden- und Liegenschaftsdossier inklusive einer stichhaltigen Begründung für die Bewilligung die absolute Voraussetzung.
Basel, 11. September 2016
Dominique Ackermann
Inhaber und Berater HypoConsult+
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